Was wir lesen und was nicht

Was wir lesen und was nicht (erschienen in Datum 1/04)

Was wir lesen …

Stachel: Computerzeitschriften. Leute wie ich wären besser nur „einfache User“ geblieben, jede darüber hinausgehende Beschäftigung ist Zeitverschwendung. Dennoch fällt mein Blick mindestens jede sechste Woche auf das Computermagazin c’t. Das Layout ist seit den Achtzigerjahren keiner Prüfung mehr unterzogen worden und die Geschichten haben Titel wie „Wasser marsch! CPU-Aquakühler bringen ihren PC zum Flüstern“. Trotzdem lese ich den ganzen Kram, weil man am Ende eben doch mehr mitkriegt vom „unbekannten PC – so holen Sie alles aus ihm raus“.

Salamun: Abenteuer, Reisen, Reportagen. Keine Angst, im Gegensatz zu Landeshauptmann Erwin Pröll habe ich schon als Jugendlicher Karl May nicht gelesen, vor allem weil er langweilig ist. Nachdem ich mich durchs wilde Kurdistan gequält hatte, war ich froh, dass es Lex Barker und den Film gab. Heute lese ich, wenn ich Lust auf dieses Genre habe, Ryszard Kapuscinski. Der 72-jährige polnische Reporter berichtet aus Extremsituationen ohne den heroisierenden Pathos eines CNN-Kriegsberichterstatters. Ein Reiselustiger mit Blick fürs Detail, für die kleinen, scheinbar nebensächlichen Dinge, aus denen er die großen Zusammenhänge ableitet.

Hörmanseder: Was ich lese, sind leider oft banale Rubriken wie „Was ich lese, was ich nicht lese“. Mit Rubriken ist es wie mit einem Nachbarn, den man nicht ausstehen kann. Ständig hört man sein sonntägliches Handwerken, das laute Spülen der Gangtoilette, aber würde man dereinst keinen Laut mehr vom Nachbarn hören, bekäme man Angst, er wäre tot. Ich für meinen Teil lese jetzt nicht weiter.

… und was nicht

Leserkommentare unter Online-Nachrichten. Ein Schuss Masochismus gehört dazu, wenn wir bei derStandard.at und ORF on die Kommentare durchackern. Die sind in höchstem Maß vorhersehbar und redundant.
Ein User namens „halloorfzensorichkannsovieleloginsanlegenwieichwill“ will Deutschprüfungen zur Bedingung von Aufenthaltsgenehmigungen machen. Einer, der „Vertragsbediensteter“ heißen könnte, weist darauf hin, dass obige Forderung selbst acht Rechtschreib- und zwei Fallfehler aufweist. Prompt macht er selber einen, was er weiter unten korrigiert und mit einem 😉 gewaltsam ironisiert. Regelmäßig kommen auch Beschwerden über den geringen Nachrichtenwert von Chronik-Meldungen. Solche User heißen dann „artegucker“ oder „datumabonnent“.

Softwarelizenzen: Wahrscheinlich das Textgenre des 21. Jahrhunderts, das man am öftesten vorgesetzt bekommt und am wenigsten beachtet. „Ja, ich habe verstanden“ klickt man an, und das Kleingedruckte kann einen kreuzweise. Und wenn einmal etwas wirklich Wichtiges in einem Vertrag steht, ist man der Gelackmeierte.

Newsletter: Hier trägt man sich in die Verteilerliste eines Museums ein, dort hält einen ein neues Cool-Asia-Lokal für einen Multiplikator. Und kaum ist das Problem mit dem Spam gelöst, verbringt man den Tag damit, mühsam verfasste Aussendungen an sich sympathischer Institutionen ungelesen zu löschen. Abbestellen traut man sich nicht, weil dann sind die womöglich traurig oder gar angefressen. Übrigens: Auf www.maschek.org/verteiler können Sie sich in unsere Liste eintragen. Und wehe, Sie wollen da jemals wieder runter!